Energiekrise - Anreiz für mehr Effizienz?
Grünen Wasserstoff importieren und produzieren
Episode 3/4
Energieversorgungsstrategie: Es geht nicht um europäische Autarkie
Jochen Bard vom Fraunhofer Institute for Energy Economics and Energy System Technology IEE kommt gerade aus Nordafrika zurück. Dort entstehen mit deutschen Geldern erste Projekte für die Belieferung Europas mit grünem Wasserstoff. Sie sind Teil der europäischen und deutschen Energieversorgungsstrategie. Denn in Zukunft – darin stimmt Bard Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu – geht es um die Diversifikation von Energieimporten. Eine europäische Energieautarkie bei grünem Wasserstoff sieht er nicht kommen. „Es ist sicherlich so, dass wir nur den kleineren Teil des Wasserstoffbedarfs in Zukunft auch in Deutschland produzieren können. Und da spielt das Thema Offshore Wind eine entscheidende Rolle“, erklärt Bard.
Die Fraunhofer Forscher sind sich sicher: Europa und insbesondere auch Deutschland werden langfristig grünen Wasserstoff und daraus abgeleitete Produkte importieren. Als Lieferanten kommen verschiedene Regionen der Welt in Frage. „Neben Nordafrika, das „vor unserer Haustür liegt“, gibt es Regionen, wie zum Beispiel Südamerika, wo exzellente Windverhältnisse herrschen, um grünen Wasserstoff zu produzieren. In Ländern wie Argentinien sind wir schon unterwegs und versuchen, Projekte zu entwickeln“, berichtet Bard.
Hören Sie jetzt in Episode 16 von Drehmoment – Der Antriebspodcast, was Jochen Bard von seinen Reisen zu berichten hat. Im Austausch mit Danfoss-Mann Damir Alihodzic diskutiert er die Zukunft von grünem Wasserstoff in Europa.
Importe brauchen Infrastruktur
Ammoniak gilt als derzeit wettbewerbsfähigstes Wasserstoffderivat. Es lässt sich recht einfach per Tanker und Terminal anliefern. „Tatsächlich ist es so, dass sich ein LNG-Terminal mit einem gewissen technischen Aufwand zum Import von Ammoniak umrüsten lässt. Beides braucht sehr ähnliche technische Voraussetzungen. Wenn wir aber jetzt zum Beispiel über flüssigen Wasserstoff sprechen, haben wir ganz andere Temperaturen und damit ganz andere Anforderungen an die Materialien. Da würde ich doch ein sehr großes Fragezeichen dahinter setzen, ob das möglich ist.“ Bard sieht darüber hinaus kein großes Potential für den Import von flüssigem Wasserstoff. Er sieht vor allem Produkte wie Ammoniak oder Methanol per Schiff ankommen.
Eine Option ist, gasförmigen Wasserstoff in bestehenden Gas-Pipelines zu transportieren. „Auch da sind natürlich technische Anpassungen und Umrüstungen notwendig.“ Dabei gibt Bard zu bedenken: „Das Gasnetz ist nicht komplett einheitlich, sondern über Jahrzehnte gewachsen. Es wurden zum Beispiel unterschiedliche Stahlsorten verbaut. Manche sind für den Transport von Wasserstoff besser geeignet andere weniger. Als Folge gibt es zahlreiche unterschiedliche technische Maßnahmen, mit denen man das Pipelinenetz für den Wasserstofftransport fit machen kann. Hinzu kommt: Spätestens bei den anderen aktiven Komponenten, das heißt bei Reglern, bei Kompressoren, die auch sehr wichtig für den Gastransport sind, müssen wir natürlich neue Geräte anschaffen. Ein Plus ist, dass wir in großen Teilen nicht die vorhandenen Rohrleitungen auswechseln, sondern sie unter Umständen nur ertüchtigen müssen – zum Beispiel durch eine neue Innenbeschichtung und dergleichen. Da gibt es vielfältige technische Lösungen. Was dann im Einzelfall notwendig ist, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten der jeweiligen Rohrleitung vor Ort ab.“
Grüner Wasserstoff: einer für alles?
Ist Wasserstoff jetzt der Heilsbringer für alles? „Pauschal gilt: Alles, was sich sinnvoll elektrifizieren lässt, sollte elektrifiziert werden. Das ist immer der effizientere und dann preiswertere Weg. Effiziente Elektrifizierung bringt Lösungen mit geringerem Ressourcenbedarf und auch mit weniger Bedarf an erneuerbaren Energien. Aber es gibt eben auch (noch) Bereiche, die nicht zu elektrifizieren sind. Zum Beispiel Langstreckenflüge oder auch der Schiffsverkehr über die Ozeane der Welt. Das lässt sich nur mit flüssigen Energieträgern – also Kraftstoffen – machen. Und es gibt auch viele chemische Prozesse, für die man Wasserstoff braucht oder die daraus abgeleiteten Derivate. In der Stahlproduktion oder der Eisenerzproduktion kann man Wasserstoff beispielsweise als Energieträger verwenden, um Kohle zu ersetzen. Das ist zurzeit die interessanteste Lösung für die Dekarbonisierung dieser Industrien.“
„Zusammengefasst bedeutet das, dass es vielfältige industrielle Prozesse gibt, in denen der Einsatz von grünem Wasserstoff in Zukunft einen hohen Stellenwert haben kann. Es gibt aber genauso viele Industrien, in denen der Einsatz von Wasserstoff nicht sinnvoll ist. Das trifft meiner Meinung nach auch auf den Gebäudesektor zu. Grünen Wasserstoff beispielsweise zur Beheizung von Gebäuden zu verwenden, macht meiner Meinung nach wenig Sinn.“
Die Rolle der Grid Converter
Auch Danfoss Drives hält Technologie für die Produktion von grünem Wasserstoff bereit. Damir Alihodzic treibt das Thema für Danfoss Drives in Zentraleuropa. Schon heute erzeugt und verbraucht Europa über 70 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich. Die Tendenz ist steigend. „Dieser Wasserstoff ist allerdings überhaupt nicht grün. Wenn wir es ernst meinen mit der Energiewende und der Dekarbonisierung, dann wird ein Vielfaches davon notwendig werden. Das heißt, man muss strategisch in verschiedene Richtungen denken. Auch wenn wir es schaffen, eine europäische Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, werden wir weiterhin zusätzlichen Wasserstoff importieren müssen“, meint der Danfoss-Experte. Er und sein Team unterstützen die Industrie bei ihrer Wasserstoff-Strategie. Danfoss Drives liefert wichtige Bestandteile für Elektrolyseanlagen.
„Wir schließen uns direkt an das AC-Netz an. Die Mittelspannung wird dann auf eine Niederspannung gewandelt. Unsere Grid Converter haben einen DC-Ausgang. Das ist die Schnittstelle für die Elektrolyseure“, ergänzt der Experte. Gemeinsam mit dem Linde Engineering Team realisiert das Danfoss Team gerade erste Projekte. „Wir liefern in diesem Projekt vier Megawatt Elektrolyseleistung und testen und lernen, wie sich das System verhält.“ Wo er in Zukunft Einsatzszenarien sieht, welche Rolle dezentrale Energieversorgungssysteme spielen, und ob ein wasser- oder luftgekühltes System besser ist, erklärt er im Podcast-Interview.
Energiekrise - Anreiz für mehr Effizienz?
Alle Episoden der Podcast-Staffel auf einen Blick
In der Podcast-Staffel "Energiekrise – Anreiz für mehr Effizienz?" gehen wir auf Energie-Reise – vom grünen Wasserstoff über Speichertechnologien bis hin zur DC-Versorgung in der Industrie. Dafür haben wir viele Energie-Experten eingeladen. Sie erklären, wie sich die Industrie für die nächsten Jahre technologisch aufstellen muss und was energiepolitisch getan werden sollte.
In Folge 1/4 der Staffel hören Sie Podcast-Gastgeber Robert Weber. Er fragt sich, wie wir in die aktuelle Situation schlittern konnten – wo doch Technologien und auch politische Anreize für mehr Energieeffizienz und den Einsatz grüner Energie seit langem vorhanden sind. Dabei lässt er Gäste aus den vorherigen Podcast-Folgen nochmal zum Thema Energie und Innovation zu Wort kommen.
Episode 2/4 der Energiekrise-Staffel begrüßt mit Sebastian Weckmann, Leiter der Abteilung industrielle Energiesysteme am Fraunhofer IPA, und Helge Vandel Jensen, Direktor Business Development Elektrifizierung bei Danfoss Drives, zwei absolute Experten für neue Wege in der industriellen Energieversorgung. Welche Energieträger können wir künftig verwenden? Wie schnell gelingt der Umstieg? Was können Industrieunternehmen jetzt tun? Darauf liefert Episode 2/4 Antworten.
Zu guter Letzt bietet das Staffelfinale mit Egon Schubert von Innofas und Reiner Kaiser von Danfoss Drives einen sehr guten und tiefen Einblick in die Welt der dezentralen Speichertechnologie. Wie ist es um die Stabilität unseres Stromnetzes bestellt? Was können Speicher hier beitragen? Wie und vor allem wie schnell können Unternehmen dezentrale Speicher einbinden? Das diskutiert Gastgeber Robert Weber in dieser Folge mit seinen Gästen.
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