Energie aus Abwasser:
Wie funktioniert die energieautarke Kläranlage?
Episode 9

Die energieautarke Kläranlage aus Aarhus

Die energieautarke Kläranlage von morgen existiert schon heute. Sie steht in Aarhus, Dänemark und inspiriert die Wasserwirtschaft weltweit. Die dänische Gemeinde betreibt die mittlerweile CO2-neutrale Kläranlage und spart dabei eine Menge Energie. Denn normalerweise steht das Wasser- und Abwassermanagement für 30 bis 50 % des Stromverbrauchs von Gemeinden in Europa. Da liegt viel Potenzial für Verbesserung – in Europa und weltweit.

Claus Homann verantwortet das Abwassermanagement in Aarhus und ist stolz auf sein Team. Zusammen mit Mads Warming von Danfoss Drives haben sie in den letzten 10 Jahren viel erreicht und die Bestandsanlage zu einer der modernsten Abwasseranlagen weltweit umgerüstet. Dabei unterschied sich die Anlage vor ihrer Umrüstung gar nicht großartig von anderen, bestehenden Kläranlagen. Das gibt Zuversicht für viele andere Betreiber! Wie macht man eine Bestandsanlage fit für eine grüne Zukunft? Wie die beiden Experten das geschafft haben und warum davon auch deutsche Anlagen profitieren können, verraten sie in dieser Folge des Antriebspodcasts Drehmoment.

Die komplette Case Story lesen Sie hier.

Drehmoment - Der Antriebspodcast | Episode 9

Wie haben die das gemacht? Claus Homann und Mads Warming im Interview

CO2 sparen bei der Abwasseraufbereitung

Claus Homann: Ich glaube wir sind ein gutes Beispiel, weil wir auf der einen Seite viel Energie sparen und gleichzeitig als Kläranlage Energie produzieren. Und das ist fantastisch.

Was sind die Unterschiede zu bestehenden Anlagen in Europa? Was hat Aarhus anders gemacht?

Claus Homann: Die Anlage selbst unterscheidet sich gar nicht großartig von anderen, bestehenden Kläranlagen. Es sind vielmehr die Menschen, die dort jeden Tag arbeiten und das Ziel verinnerlicht haben, Energie und CO2 zu sparen. Wir haben uns schon in den 90er Jahren Gedanken gemacht, wie wir Energie einsparen können und sind dann auf die Suche nach Technologien gegangen.

Ist Aarhus einmalig?

Mads Warming: Es gibt noch ein paar wenige andere Anlagen auf der Welt, die ähnlich wie Aarhus arbeiten und das gleiche Ziel verfolgen. Wichtig ist aber auch zu verstehen, dass im Gegensatz zu diesen Anlagen, Energie in Aarhus nur mit Haushaltsabwasser erzeugt wird – nicht mit zusätzlichen Abfällen beispielsweise auf der Lebensmittelindustrie oder durch Solarpanelen oder Windkraftanlagen. Das ist das Alleinstellungsmerkmal von Aarhus. Und deshalb ist das Beispiel so gut für andere Abwasserbetriebe, denn der Aufwand ist überschaubar.

Was wurde technisch optimiert?

Mehr nicht - ein paar Frequenzumrichter und dann läuft es?

Energieautarke Kläranlage Marselisborg in der Vogel-Perspektive

Mads Warming: Ich möchte die Automatisierung hervorheben, die wir heute oft ja auch Digitalisierung nennen. Wichtig ist die Sensorik in der Anlage, denn sie fährt die Kläranlage in der Nacht. Und das bestätigen uns viele Kunden, denn die Fortschritte der letzten Jahre beruhen zu 70 Prozent auf der Automatisierung bzw. Digitalisierung der Prozesse.

Was steht hinter diesen 70 Prozent Fortschritt durch Digitalisierung?

Mads Warming: Digital heißt für mich Daten und Informationen aus vielen Sensoren, mehr als man üblicherweise verbaut. Der Anwender muss diese Daten für mehr nutzen als in der Vergangenheit. Genau das machen Claus und seine Kolleginnen und Kollegen. Sie haben viele Sensorsignale und wissen viel besser, was in der Anlage gerade passiert. Sensorik und Steuerung sind die Schlüssel zum Erfolg.

Wie viele neue Sensoren haben Sie in der Anlage?

Claus Homann: Wir haben viele und wir kaufen jeden, der uns weiterhilft bei der Abwasserbehandlung, dem Einsparen und Produzieren von Energie. Der Anwender muss bereit sein in die Sensorik zu investieren, denn manche Sensoren sind ziemlich teuer. Es gab viel Unsicherheit, wenn es darum ging, die Steuerung der Anlage dem Computer zu übergeben. Wir setzen deshalb auf ein dreistufiges System. Ausgangspunkt sind die Standard-Abwasserparameter und dann können die Anwender mit einem digitalen Zwilling die Anlagen auf einer qualitativ höherwertigen Stufe fahren. Und weil wir immer wieder auf die Standard-Abwasserparameter zurückfallen, sind die Bediener sicher darin, neue Prozesse zu testen.

Das bedeutet, die Kolleginnen und Kollegen fahren Prozessänderungen zunächst mit dem digitalen Zwilling der Anlage?

Mads Warming: Das kann Claus sicher besser erklären, aber ich will noch etwas ergänzen: Sie kontrollieren und steuern die Kernaufgabe Wasser zu reinigen. Aber die Fähigkeit zu wissen, wie hoch der Ammonium-Anteil ist, verändert den Betrieb nochmal. Die Anwender können dadurch den Prozess mit mehr Informationen fahren. Sie können beispielsweise den Ammonium-Anteil leicht erhöhen, um Energie zu sparen – in Abhängigkeit vom gegenwärtigen Strompreis oder in Abhängigkeit von staatlichen Zahlungen, wenn der Ammonium-Anteil reduziert wird. Sie können mit den Einstellungen spielen und sich an externe Faktoren anpassen.

Sie singen ein Loblied auf die Sensorik, aber Danfoss verkauft keine Sensoren.

Mads Warming: Ohne die Frequenzumrichter könnte Claus vielleicht nur ein Drittel dessen einsparen, was er und sein Team gerade umsetzen. Kläranlagen werden anders gefahren als beispielsweise Chemieanlagen: Sie haben einen Peak an Material am Morgen, dann nochmal am Nachmittag und nur etwa 10 oder 20 Prozent Material in der Nacht. Trotzdem müssen die Betreiber die Anlage 24/7 fahren. Je mehr Sensoren verbaut sind, desto besser wissen sie, welche Last gerade anfällt und können die Anlagen darauf ausrichten.

Wie steht um die anderen 30 Prozent? Wie wichtig sind Pumpen etc. für mehr Effizienz?

Claus Homann: Pumpen etc. sind wichtig. Aber eine effiziente Pumpe hilft nicht. Wir sind zu oft auf einzelne energieeffizientere Geräte fokussiert. Es geht aber um die Verbesserung von bestehenden Prozessen und nicht nur darum, punktuell einzelne Geräte auszutauschen. Der Gesamtblick bleibt entscheidend.

Also ein holistischer Ansatz?

Mads Warming: Ja absolut, wir müssen uns die ganze Anlage anschauen bis zum Ammonium. Ich stimme Claus voll zu. Die Aufgabe ist es, an der Unternehmenskultur zu arbeiten – mit den Menschen in den Klärwerken. Wir müssen die Bediener an Bord haben, sonst erreichen wir unsere Ziele nicht. Hinderlich ist, dass bei Gesetzesinitiativen zur Energieeffizienz aus Brüssel nur selten das System betrachtet wird. Bislang geht es beispielsweise nur um die Motoren. Das ist okay, bringt aber, überspitzt formuliert, nur ein Prozent Effizienzgewinn. Wir sprechen heute mit Claus über 70 bis 80 Prozent. 

 

Wie hoch ist das Einsparpotenzial weltweit?

So wir Ihre Kläranlage zum Energielieferant

Mads Warming: Wir arbeiten seit einigen Jahren mit der Internationalen Energie Agentur zusammen. Die publiziert einmal im Jahr ein dickes Buch mit 700 Seiten, woher die Energie kommt und wer sie verbraucht. Und die Autoren stellen auch Einsparpotenziale vor. Die Wasser-und Abwasserbehandlung steht für 3,5 Prozent des gesamten Elektrizitätsverbrauchs Europas. Global sind es vier Prozent. Das ist äquivalent zum Elektrizitätsverbrauch von Russland. 

Wenn jeder Claus nacheifern würde, dann hätte das einen großen Effekt. Bis 2030 soll weltweit 60 Prozent des Abwassers behandelt werden. Das bedeutet: Es müssen einige neue Kläranlagen gebaut werden. Diese Zahl hat die Internationale Energie Agentur beunruhigt, denn damit steigt ja auch der Energieverbrauch. Wir haben die Verantwortlichen nach Aarhus eingeladen und konnten sie überzeugen, dass beide Ziele zu erreichen sind – Energieeinsparung und sauberes Wasser für Umwelt und Menschen.

Und nochmal: Wir müssen bestehende Anlage nicht stilllegen. In Aarhus liegt der ROI bei 4,5 Jahren. Der Strompreis in Deutschland ist noch höher, deshalb rechnet sich das Investment dort noch schneller. Es ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch darstellbar.

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